ELISABETH VON LOTHRINGEN
„Welch herrliches Frauenbild, weiß wie Schnee! Welch schöne, ebenmäßige Gestalt. Kaum vermag ich die Schönheit ihres Gesichts in Worte zu fassen. Wahrlich, in keinem anderen Land wird eine schönere junge Frau zu finden sein” – so schwärmt der Brautwerber König Karls von Frankreich beim Anblick von Sibille, der Tochter des Kaisers von Konstantinopel.
„Meine Gemahlin, Ihr habt mich sehr verletzt. Nie gab es einen betroffeneren Mann, als ich jetzt es bin. Ihr könnt die Tatsache nicht leugnen. Ich werde Euch schleifen lassen und dann zum Scheiterhaufen bringen” – so der von König Karl seiner Gattin Sibille angedrohte kurze Prozess, nachdem sie Opfer einer infamen Intrige geworden war. Und Sibille bleibt nur zu klagen: „Ach Erdreich öffne dich und verschlinge mich! Ach Herz, du leidest Unrecht, warum brichst du nicht!“ Die damalige Zuhörerschaft dieses Romans „Sibille“ von Elisabeth von Lothringen mag sich an dem Bild der Frau als Heilige und Hure, an ihrem Schicksal als verfolgte Unschuld ergötzt haben. Wenn wir heute in der Villa Lessing von einer solchen mittelalterlichen Geschichte hören, dann wird uns bewusst, wie gut es doch ist, in einem aufgeklärten, liberalen Rechtsstaat zu leben! Diese Geschichte hat ein schwer erkämpftes Happyend. Die Autorin hat für ihre Übersetzung eines französischen Romans (chanson de geste) einen Stoff gewählt, der letztlich der verfolgten Protagonistin Gerechtigkeit widerfahren lässt. Das ist angesichts der historisch überlieferten Willkür, mit der Frauen aller Stände im Mittelalter traktiert wurden, dann doch ein Lehrstück, das zur Revision eines zweifelhaften Frauenbildes aufruft, das der Allmacht der Männer, der Männerphantasie entsprungen war. Darin darf man das Verdienst dieses Romans und seiner Übersetzerin Elisabeth von Lothringen sehen.
Wir vermitteln mit dieser Lesung also ein Stück Sittengeschichte. Darüber hinaus aber auch ein Stück Saarbrücker Kulturgeschichte: Elisabeth von Lothringen-Vaudémont war zunächst von 1412 als Gattin von Graf Philipp I. und weiter nach dessen Tod 1429 Regentin des Hauses Nassau-Saarbrücken. Sie starb 1456 und wurde in der Stiftskirche Saarbrücken – St. Arnual beigesetzt. Ihr Grabmal (Tumba) befindet sich hinter dem Altar im Chor der Stiftskirche. Für die deutsche Literaturgeschichte ist Elisabeths Übersetzertätigkeit von großer Bedeutung: mit der Übertragung französischer Abenteuerromane, den chansons de geste, hat sie diese Gattung in unseren Sprachraum eingeführt. Höchste Zeit also, wenigstens einen ihrer Romane mit dieser Lesung aufleben zu lassen! Man muss sich vorstellen, dass im Mittelalter von einem Spielmann ein solcher Vortrag dargeboten wurde, den so genannten Spielleute (Musikanten) umrahmten. Und so werden auch wir den musikalischen Teil nicht außer Acht lassen, sondern die Lesung mit Renaissanceliedern musikalisch ausschmücken.
Freuen Sie sich also auf einen Abend, der dem „delectare et prodesse“ gerecht wird:
Wir wollen Ihnen interessante Einblicke in eine halb versunkene Welt gewähren und Sie damit zugleich unterhalten und erfreuen.
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