„Frei“ ist kein Zauberwort!
„Über den eigenen Großvater zu schreiben, macht befangen“, so Ludwig Theodor Heuss. Dennoch geben seine Worte tiefe und sehr persönliche Einblicke in das Leben des ersten Bundespräsidenten. “Liberaler ist man nicht aus unreflektierter Tradition, sondern aus Überzeugung“ sagt der Enkel Heuss.
Der Liberalismus hat die Geschichte der Bundesrepublik nachhaltig geprägt, der Glaube an den Wert, an die schöpferische, die Gemeinwohl stiftende Kraft der Freiheit hat Generationen begeistert und Fesseln gesprengt.
Wer heute auf das Zentrum Berlins blickt, erkennt: Das Einzige, was sich dort seit Ende September sichtbar bewegt und verändert, ist der Rohbau des Stadtschlosses. Gewiss, es wird wieder ein wunderbarer architektonischer Abschluss „Unter den Linden“ werden – aber ist es nicht so: Das deutsche Parlament hat seine einstige freiheitliche Stimme verloren und die einzige Großbau-stelle Deutschlands, die planmäßig voranschreitet, gilt der Rekonstruktion eines Symbols staatlicher Autorität, Stein gewordener Staatsgläubigkeit, dem der alte Friedrich mit dem Gestus des strengen, aber fürsorgenden Regenten entgegenreitet.
Nichts gegen die Wiedererrichtung des Humboldtforums und die Anknüpfung an historische städtebauliche Tradition. Aber wo ist die Tradition der bürgerlichen Freiheit geblieben? Weshalb ist es nicht gelungen, in diesem Land eine sich selbst gewisse Schicht verantwortungsvoller und verantwortungsbereiter Citoyens heranzubilden, die an die schöpferische Kraft des freien Menschen glauben und die der Freiheit einen unverrückbaren Wert im politischen Feld beimessen? Wie konnte es so weit kommen, dass „liberal“ zu einem Schimpfwort, das die liberale Partei zu einem Objekt von Häme, Hass, Spott und öffentlicher Verachtung wurde? Eine schlüssige Antwort gibt es nicht, außer der alten Gewissheit, dass Freiheit nicht von alleine kommt, sondern viel Arbeit bedeutet. Die Antwort von Theodor Heuss dazu ist einfach und nüchtern: „Das Wort ,frei’ ist noch kein Zauberwort.“
Passt das zu unseren heutigen Vorstellungen von Liberalismus? Kann für einen Liberalen irgendetwas einen größeren Zauber besitzen als das Wort „frei“? Gerade dieser Tage wird ja viel davon gesprochen, sich an die Grundwerte, den Markenkern des Liberalismus zu erinnern. Für Theodor Heuss ergänzt sich das Wort „frei“ immer mit der Einbindung in Verantwortung. Dies wird in der griffigsten und wohl auch zeitlosesten Formulierung deutlich, in der er den Kern seines liberalen Selbstverständnisses und die Mission der Liberalen zu Papier bringt: „Ich suche den wagenden, den sich selbst behauptenden Menschen, der zugleich in der breiten Verantwortung und Gebundenheit steht.“
Aber eben: Das Wort „frei“ ist noch kein Zauberwort. Das gilt auch im Rückblick. Es geht hier nicht darum, einen Bindestrich-Liberalismus gegen einen anderen auszuspielen. Doch der Blick auf die Krisen der Gründung der Liberalen vor 65 Jahren, die Konflikte der Vergangenheit und die Herausforderungen der Gegenwart lassen einen manchmal wünschen, dass das Wort „frei“ doch ein Zauberwort wäre.
Im Kern ging es damals und geht es heute immer wieder um das Gleiche: um die freie Entfaltung des Individuums, seine schöpferische Kraft und um die menschliche Würde durch Freiheit. Wagnis und Selbstbehauptung im Gleichgewicht mit Verantwortung und Gebundenheit: Diese Formulierung ist voller zeitloser Aktualität, da steckt alles drin: Marktwirtschaft, Bürgergesellschaft, soziale Verantwortung und Einbindung in das europäische Ganze.
Nicht vom Wort „frei“, aber von der Freiheit geht eben doch ein Zauber aus.
Veranstalter
Villa Lessing
Liberale Stiftung Saar e.V.
Veranstaltungsleitung
Hermann Simon
Geschäftsführer
Organisation
Daniela Frieg
Gast
Prof Dr. Ludwig Theodor Heuss
Vorsitzender des Vorstandes
der Theodor Heuss Stiftung
Moderation
Prof. Dr. Jürgen Morlok
Vorsitzender des Kuratoriums der
Friedrich-Naumann Stiftung für die Freiheit
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Einladung 03.06.2014
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