Internationaler Workshop
Die groß angelegten Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzraum während des Zweiten Weltkrieges sind bislang wenig untersucht. Überhaupt nicht erforscht ist das Thema in vergleichender Perspektive. Dies mag verwundern, waren doch die Erfahrungen von jeweils mehr als einer halben Million evakuierter Zivilisten beiderseits der Grenze quantitativ wie qualitativ ähnlich. Binnen weniger Stunden mussten sie die notwendigsten Habseligkeiten packen und sich auf den Weg ins Landesinnere machen. Jahrelange Vorplanung löste sich schnell in Chaos auf, als Züge getrennt und Familien auseinandergerissen wurden. In den Aufnahmegebieten entstanden schnell Konflikte mit der lokalen Bevölkerung, aber auch Freundschaften, die in einigen Fällen bis heute halten.
Die von der Universität des Saarlandes, der Universität Paris-Sorbonne (Paris IV) und der Ruhr-Universität Bochum in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Saarbrücken und der Villa Lessing – Liberale Stiftung Saar e.V. durchgeführte Tagung stellt die Evakuierungen im deutschfranzösischen Grenzraum in einen breiten europäischen Zusammenhang und macht deutlich, wie spannend das Thema weit über wissenschaftliche Kreise hinaus ist. Behandelt werden dabei Evakuierungs- und Fluchterfahrungen in Deutschland, Frankreich, der Schweiz, Großbritannien, der Sowjetunion, Polen und Bulgarien im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Evakuierungen aus Grenzgebieten kommen dabei ebenso zur Sprache wie Evakuierungen vor und nach Luftangriffen. Neben dem Ablauf der Evakuierungen werden ihre vielfältigen Auswirkungen diskutiert, ihre erinnerungsgeschichtliche Bedeutung für die Großregion Saar-Lor-Lux erörtert und internationale Vergleiche angestellt. Die Tagung bildet den Abschluss der Pilotphase eines größeren Forschungsprojektes zum Thema „Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzraum während des Zweiten Weltkrieges“. Es wird seit September 2010 an der Universität des Saarlandes, der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universität Paris IV-Sorbonne unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Hudemann (UdS, Sorbonne), Juniorprof. Dr. Fabian Lemmes (RUB) sowie Prof. Dr. Olivier Forcade (Sorbonne) vorbereitet.
Dem interessierten Fachpublikum wird eine hochkarätige Besetzung geboten, die spannende Ergebnisse verspricht. Zu den Vortragenden gehören Prof. Dr. Julia Torrie (Fredericton, Kanada), die jüngst eine vergleichende Studie zu Evakuierungen in Deutschland und Frankreich vorgelegt hat, Prof. Dr. John Stewart (Glasgow), ausgewiesener Spezialist für die Evakuierungen in England und Schottland, Prof. em. Dr. Georg Kreis (Basel), Pionier im Thema in der Schweiz, sowie Prof. em. Dr. François Roth, der wie nur wenige andere mit der Geschichte Lothringens und des Elsass vertraut ist. Darüber hinaus versammelt die Tagung zahlreiche Promovierte und Doktoranden aus Frankreich, Deutschland, Belgien, Polen und Italien, um dieses neue Forschungsfeld in gemeinsamer Diskussion zu erschließen. Der internationale Charakter der Tagung, bei der die ReferentInnen aus neun unterschiedlichen Ländern stammen, spiegelt sich auch sprachlich wider: Tagungssprachen sind Deutsch, Französisch und Englisch.
Programm:
Freitag, 10. Juni 2010
12.00–13.00 Uhr
Ankunft und Empfang im Stadtarchiv Saarbrücken/Arrivée et accueil aux archives municipales de Sarrebruck/Arrival and reception at the City Archives Saarbrücken
13.00–13.30 Uhr
Begrüßung durch/Mots de bienvenue de/Official welcome by
Hans-Christian Herrmann (Stadtarchiv Saarbrücken),
Rainer Hudemann (Universität des Saarlandes/Université Paris-Sorbonne), Olivier Forcade (Université Paris-Sorbonne),
Fabian Lemmes (Ruhr-Universität Bochum),
Walter Glößner (Villa Lessing)
Vorstellung der Teilnehmer/Présentation des participants/Introduction of participants
13.30–14.15 Uhr
Thematische Einführung/Introduction thématique/Topic introduction Die Evakuierungen im deutsch-französischen Grenzraum während des Zweiten Weltkrieges. Stand der Forschung, Konzepte und Perspektiven
Fabian Lemmes (Ruhr-Universität Bochum),
Johannes Großmann (Universität des Saarlandes)
14.15–14.30 Uhr
Kaffeepause/Pause café/Coffee break
14.30–16.15 Uhr
[Panel 1] Evakuierungen von Zivilbevölkerungen im Zweiten Weltkrieg/
L’évacuation des populations civiles pendant la Seconde Guerre mondiale/
The evacuation of civilian populations during the Second World War
Moderation: Nicholas Williams (Universität des Saarlandes)
Avoiding Chaos. German-French Interchange and Civilian Evacuation Policies, 1939–1945
Julia Torrie (St. Thomas University, Canada)
Evacuation in Britain. Process and consequences
John Stewart (Glasgow Caledonian University)
Evakuierungen in der Sowjetunion während des Zweiten Weltkriegs
Alexander Friedman (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg/Universität des
Saarlandes)
16.30–18.15 Uhr
[Panel 2] Von der Evakuierung zur Aufnahme/De l’évacuation à l’accueil/From evacuation to reception/From evacuation to reception
Moderation: François Roth (Nancy)
Le déroulement des évacuations en Moselle 1939/40
Christine Guth (Metz)
Die Evakuierungen von 1939/40 im deutsch-französischen Systemvergleich
Nicholas Williams (Universität des Saarlandes)
Der NS-Gau Thüringen als Evakuierungs- und Verlagerungsgau
Markus Fleischhauer (Coburg)
18.30 Uhr
Pressegespräch
ca. 19.30 Uhr
Abendessen/Dîner/Dinner (Stiefel Bräu, St. Johanner Markt)
Samstag, 11. Juni 2010
08.30–10.15 Uhr
[Panel 3] Grenzlandidentitäten und Evakuierungen/Identités frontalières
et évacuations/Borderland identities and evacuations Moderation: Rainer Hudemann (Universität des Saarlandes/Université Paris-Sorbonne)
Les mouvements de population en Moselle de 1910 à 1950
François Roth (Nancy)
Die NS-Propaganda und die „Aktion Elsaß“ während der Annexion déguisée
Markus Enzenauer (Universität Mannheim)
Unpatriotische Grenzbevölkerung? Zur schweizerischen Evakuationsproblematik im Frühjahr 1940
Georg Kreis (Universität Basel)
10.15–10.30 Uhr
Kaffeepause/Pause café/Coffee break
10.30–12.15 Uhr
[Panel 4] Evakuierungen als sozioökonomische und kulturelle Herausforderung/ Les évacuations comme défi socio-économique et culturel/Evacuations as a socio-economic and cultural challenge
Moderation: Fabian Lemmes (Ruhr-Universität Bochum)
Die Evakuierung Lothringens: wirtschaftliche und soziale Aspekte
Marcel Boldorf (Ruhr-Universität Bochum)
Frauen in Bewegung: Die Evakuierung der weiblichen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg
Nicole Kramer (Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam)
L’évacuation des collections d’oeuvres d’art des musées de l’Est et du nord de la France à la veille de la Seconde Guerre mondiale
Philippe Tanchoux (Université d’Orléans)
12.15–13.45 Uhr
Mittagessen/Déjeuner/Lunch (Restaurant Iliri, Vorstadtstraße)
13.45–15.30 Uhr
[Panel 5] Zwangsmigration vor und nach dem Zweiten Weltkrieg/Déplacement forcé des populations avant et après la Seconde Guerre mondiale/Forced migration of populations before and after the Second World War
Moderation: Olivier Forcade (Université Paris-Sorbonne)
A Testing Ground for Ethno-political Population Politics: Alsace-Lorraine from the First World War to the Versailles Treaty
Volker Prott (European University Institute Florence, Italy)
Les déplacements de population en Bulgarie 1912–1918
Charlotte Nicollet (Université Paris-Sorbonne)
Déplacés et réfugiés polonais en France après 1945
Pavel Sekowski (Université Paris-Sorbonne/Université Jagellonne de Cracovie, Pologne)
15.30–15.15 Uhr
Kaffeepause/Pause café/Coffee break
15.45–17.00 Uhr
[Panel 6] Kollektive Erinnerungen in Grenzregionen/Mémoires collectives dans des régions frontalières/Collective memories in borderland regions
Moderation: Johannes Großmann (Universität des Saarlandes)
Expériences et témoignages des évacuations de 1939/40 en Moselle
Marcel Neu (Audigny)
War Memories. Children in Two European Border Regions, 1945–1970
Machteld Venken (Katholieke Universiteit Leuven, Belgium)
17.00–17.45 Uhr
Fazit und Abschlussdiskussion/Bilan et discussion conclusive/Conclusions and final discussion
Veranstalter
Universität des Saarlandes,
Université Paris-Sorbonne und Ruhr-Universität Bochum
in Zusammenarbeit mit der Villa Lessing e.V.
und dem Stadtarchiv Saarbrücken
Freitag, 10.–11. Juni 2011
Mitwirkende:
Begrüßung durch/Mots de bienvenue de/Official welcome by
Hans-Christian Herrmann
(Stadtarchiv Saarbrücken),
Rainer Hudemann
(Universität des Saarlandes/Université Paris-Sorbonne), Olivier Forcade (Université Paris-Sorbonne),
Fabian Lemmes
(Ruhr-Universität Bochum),
Walter Glößner
(Villa Lessing)
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