SCHÖPFERISCHER FREIRAUM

Susanne Krell bereist die Welt und sammelt Spuren von Gebäuden und Orten mit besonderer Bedeutung. Mit einer Arbeitstechnik, der sogenannten Frottage, überträgt sie die spezifische Oberflächenstruktur auf Papier. Sie nimmt gleichsam „Fingerabdrücke“ und fängt auf diese Weise das ganz Eigentümliche und Individuelle eines Ortes oder Gebäudes ein. Die Frottagen dienen als authentische Dokumentation von Orten und bilden eine wachsende globale Sammlung von historischen Stätten und darüber hinaus ein Museum von Gedanken, Ideen und Konzepten, die einem Ort innewohnen oder zur Errichtung eines Gebäudes geführt haben.

 

Susanne Krell hat damit einen Weg gefunden, sich auf konkrete und äußerst intime Weise mit der Welt, die sie umgibt, auseinanderzusetzen. Dabei überwindet sie die zeitlichen Schranken und holt Vergangenes in die reale Wirklichkeit. Denn im Stein, mit dem sich Susanne Krell im wahrsten Sinne des Wortes „befasst“, materialisiert sich die Geschichte und wird mit dem Gegenwärtigen vereint. Susanne Krell beschreibt ihre Arbeit folgendermaßen: „Eine Frottage von einem Ort erstellen, heißt, eine Idee, ein (Ideen)-Gebäude berühren und durch eine Durchreibung die jeweilige Struktur festzuhalten. Frottagen repräsentieren für mich jene Ordnungen und Regelwerke und Ideen, für die das jeweilige Gebäude steht. Foto und Zeichnung haben Distanz zum Gegenstand, nur die Frottage ist die distanzlose Berührung der Oberfläche. Ein Prozess der Annäherung ist notwendig, das Vor-Ort-Sein ist Bedingung. Es muss etwas in Berührung gebracht werden. Durch die Berührung mit dem Ort und das Aufnehmen der Struktur werden für mich dessen Erinnerungen und Geschichten aufgenommen und es entsteht die Möglichkeit, sie mitzunehmen und an einen anderen Ort zu bringen und sie so in neue Kontexte zu stellen.“
In ihrem attigit.projekt setzt sich Susanne Krell mit den drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam auseinander, indem sie die drei „Stellvertretergebäude“ dieser Religionen, Petersdom, Al Azhar Moschee und Klagemauer, bereist und von jedem Gebäude eine Frottage anfertigt, mit der sie anschließend die Kultstätte der anderen Religion „anrührt“ („attigit“, lateinisch, heißt „hat angerührt“ oder „hat berührt“). Die drei Frottagen werden am Abend der Vernissage gezeigt und konfrontieren den Betrachter mit Fragen nach der eigenen Identität, nach dem Sinn von Abgrenzung und nicht zuletzt nach der Gleichwertigkeit der Religionen.
Die Debatte über Freiheit und Religion, Kunst und Toleranz ist so alt wie die darin benannten Visionen und Konzepte selbst. Veränderungen im gesellschaftlichen Zusammenleben, bedingt durch die Zeitläufte, stellen den Menschen von Generation zu Generation aufs Neue vor die Aufgabe, die abstrakten Ziele in ihrer Wertigkeit zu bestätigen, inhaltlich zu füllen und lebendig zu halten.
In diesem Zusammenhang dient uns die politische Botschaft aus Lessings Ringparabel als wichtiger Impulsgeber für freiheitliches Denken und mehr Toleranz. Als visuellen Kontrapunkt zur literarischen Kunstform zeigen wir die sensiblen Bildwerke von Susanne Krell. Die Ausstellung buildings of ideas will inspirieren, die Wahrnehmung für die Bedeutsamkeit von geschichtlichen Orten schärfen und zur kritischen Reflexion über die von ihnen verkörperten Konzepte anregen. Sie bereichert damit nicht allein die Diskussion über die Zukunftsfähigkeit unserer Ideengebäude, sondern rückt die Bedeutung der Kunst im gesellschaftlichen Gestaltungsprozess in den Mittelpunkt.

 

Lydia Thorn Wickert

 

Susanne Krell wurde in Betzdorf/Sieg geboren. Sie studierte an der FH Koblenz und anschließend Kunsttheorie, Kunstgeschichte und Philosophie in Bonn und Tübingen. Sie nahm ferner an einem Workshop der international bekannten Performance-Künstlerin Marina Abramovic teil. Susanne Krell zeigt ihre Arbeiten regelmäßig in Einzelausstellungen und war bereits in zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen in Deutschland, Polen, Italien, Frankreich, Russland, China und Taiwan vertreten. Susanne Krells Werke wurden mehrfach ausgezeichnet und befinden sich in öffentlichen sowie privaten Sammlungen. Die Künstlerin lebt und arbeitet in der Nähe von Bonn.

Veranstalter


Villa Lessing e.V.

Mitwirkende:

Dr. Lydia Thorn Wickert

 

und der Künstlerin

 

Susanne Krell
buildingsof ideas (Raumarbeit)

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