PAPSTBESUCH IN DEUTSCHLAND
Wenige Wochen vor der Frühjahrstagung der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz riefen zahlreiche Geistliche öffentlich zu Reformen in der Kirche auf. In ihrem Memorandum fordern die mehr als 160 Theologen aus dem deutschsprachigen Raum u. a. eine Abschaffung des Zölibats, die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und mehr Mitspracherechte des Kirchenvolks. Katholische Religionslehrer aus der ganzen Bundesrepublik haben sich in einem „Aufruf zur Solidarität“ diesen Forderungen angeschlossen. Der emeritierte Theologieprofessor Dr. Johannes Brosseder (Köln) vergleicht den gegenwärtigen Reformstau in der Katholischen Kirche mit dem Zustand, der einst in Deutschland 150 Jahre gedauert habe – vor der Reformation!
Die Deutsche Bischofskonferenz hat in einer Stellungnahme vorsichtige Gesprächsbereitschaft signalisiert. Der Sekretär der Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, erklärte, es sei „ein gutes Signal“, dass sich die Theologen mit ihrem Memorandum an Überlegungen zur Zukunft der Kirche in Deutschland beteiligen wollten. Ihre Forderungen seien ein erster Schritt, stünden allerdings „in Spannung zu theologischen Überzeugungen und kirchlichen Festlegungen von hoher Verbindlichkeit“. Der Konferenzvorsitzende, Bischof Dr. Robert Zollitsch, äußerte sich ebenso vorsichtig: Es gehe den Bischöfen „nicht um Konfrontation, sondern Brückenbau“. Die Bischöfe wollten den Dialog mit den Laien über Reformen in der Kirche vorantreiben und neu starten. Nennenswerte Veränderungen in Lehre und Struktur sind bislang allerdings ausgeblieben. Der katholische Theologe Hans Küng, dem ebenfalls die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden ist, nennt die Katholische Kirche „das einzige bestehende absolutistische System der westlichen Welt. Loyale Oppositionelle“, so Küng weiter, „haben keine Chance, ihre Anliegen demokratisch mit der Hierarchie zu diskutieren, geschweige denn umzusetzen“. Derjenige, der an diesem System am ehesten etwas ändern könnte, ist der Papst. Im September 2011 besucht Papst Benedikt XVI Deutschland. Wird er, der Papst aus Deutschland, diese Gelegenheit wahrnehmen, die drängenden Fragen vieler Priester und Laien aus seinem Heimatland zu
beantworten. Seit vielen Jahren kämpft der Theologe Professor DDr. Gotthold Hasenhüttl mutig für Reformen in der Katholischen Kirche. Nach 44-jähriger Tätigkeit als Priester wurde er 2003 vom damaligen Trierer Bischof Reinhard Marx von seinem Priesteramt suspendiert. Seine „Straftat“: Hasenhüttl hatte 2003 anlässlich des Ökumenischen Kirchentags in Berlin auch evangelische Christen zum Abendmahl eingeladen und sich anschließend geweigert, dies – wie von Bischof Marx gefordert – zu bereuen. Der Vatikan bestätigte 2006 in letzter Instanz den Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis. Inzwischen ist Hasenhüttl aus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft „Katholischen Kirche“ ausgetreten. Er fühlt sich ihr von der christlichen Botschaft her aber nach wie vor eng verbunden. Und er scheut sich nicht, öffentlich die Fragen zu stellen, auf die Papst und Kirchenhierarchie antworten müssen – bevor es für sie vielleicht zu spät ist.
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